
“Hoffentlich sieht uns niemand”, murmelt Claire neben mir. Aus dem Augenwinkel sehe ich, wie sie zitternd die Arme um sich schlingt. Die Taschenuhr meines Großvaters baumelt an meinem ausgestreckten Arm. “Tom, das ist doch albern. Lass uns gehen. Mir ist kalt.”
Sie kann nicht sehen, wie ich die Augen verdrehe. Aber das hier ist wichtig. Das ist nicht irgendeine Uhr, das ist der Schlüssel. Der Schlüssel zur anderen Welt.
Jetzt muss ich nur das Tor finden. Was kann ich dafür, dass sich das laut der Legende in diesem See befindet?
“Im Ernst. Ich gehe jetzt zurück zum Auto. Gib mir den Schlüssel.” Claire watet durch’s Wasser und greift mir in die Hosentasche. Ihre kalten Finger streifen meine Haut und ich zucke zusammen. Mit einem dumpfen Platschen fällt der Schlüssel ins Wasser.
“Claire, du bist doch wirklich …”
Bevor ich reagieren kann, greift sie nach der Kette und reißt mir die Uhr aus der Hand.
“Das wird aufregend”, äfft sie mich nach. “Aufregend ist anders. Den Autoschlüssel kannst du selber suchen, dann findest du heute wenigstens irgendwas.”
Sie stapft davon, in die Richtung, aus der wir gekommen sind. Ich höre das Rauschen des Wassers um ihre Beine, während ich mich bücke und in der Dunkelheit nach dem Autoschlüssel taste. Matsch, Stein, mehr Matsch. Da ist er. Triumphierend reiße ich den Arm hoch und drehe mich zu Claire um.
Gerade rechtzeitig, um ihr erstauntes Gesicht zu sehen, als sie unter einem Lichtschimmer im Wasser versinkt.
Mit der Uhr in der Hand.
Die Mikrogeschichte hat weniger als 250 Wörter und wurde vom Thema „Uhr“ der Geschichten-Plattform Sweek inspiriert.
Schreibe einen Kommentar