
Ich wollte nie in den Himmel kommen.
Ich war in jungen Jahren aus der Kirche ausgetreten und danach der festen Überzeugung, dass es einen Himmel sowieso nicht gab. Genausowenig wie die Hölle.
Aber nun saß ich hier, in einem Sessel, dessen weiße Flauschepolster verdächtig nach Wolken aussahen und wartete. Worauf ich wartete, wusste ich nicht.
“Du darfst jetzt rein”, ertönte eine leise Stimmen an meinem Ohr und meine Umgebung veränderte sich. Mir gegenüber stand plötzlich eine ältere Dame mit Brille und kurzen Haaren. Als sie mich sah, lachte sie.
“Ach, du bist es. Der Zweifler. Nun gut, was ist denn dein Wunsch? Was willst du anfangen, mit dem Rest deiner Zeit?”
Mit dem Rest meiner Zeit? Ich war fast 90 Jahre alt. War es jetzt nicht endlich vorbei?
“Ich weiß es nicht”, sagte ich und rieb mir die Augen. All diese Gedanken machten es mir schwer, mich zu konzentrieren. “Eigentlich bin ich müde. Kann ich nicht ein wenig schlafen?”
“Schlafen?”, fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben. Ich hatte das immer können wollen, aber selber nie geschafft. Zögernd nickte ich.
“Hm.” Sie griff in die Luft und zog ein Clipboard hervor. Auch das würde ich gerne können. “Wir haben auch anderes im Angebot, weißt du. Die Wiedergeburt ist ein Favorit.”
Ich schüttelte den Kopf. Je länger ich hier saß, desto müder wurde ich.
“Schlafen. Das ist mein Wunsch.”
Sie lächelte, setzte ein Häkchen und im nächsten Moment wurde es schwarz um mich.
Die Mikrogeschichte hat weniger als 250 Wörter und wurde vom Thema „Wunsch“ der Geschichten-Plattform Sweek inspiriert.
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