“Am besten lassen sich Feentore im Winter finden.”
Luisa nickt bedächtig. In der dampfenden Tasse, die neben ihr auf dem kleinen Holztisch auf der Veranda steht, plätschert es. Leise fällt der erste Schnee des Winters und sie zieht die Wolldecke ein Stück enger um sich.
“Es ist einfach so offensichtlich. Da, wo der Schnee nicht liegen bleibt, da ist ein Tor. Magie, verstehst du.”
“Sag bloß.” Schmunzelnd blickt Luisa zur Tasse, zu dem kleinen fliederfarbenen Wesen, das bis zur Unterlippe in der heißen Flüssigkeit untergetaucht ist. “Feen mögen wohl keine Kälte?”, fragt sie.
“Pah, die Kälte macht uns nichts”, blubbert es verärgert aus der Tasse.
“Das war nicht die Frage.”
“Ich weiß.”
Stille legt sich über die Veranda. Seit etwa einer Stunde sitzen Luisa und die Fee hier draußen und sehen dem Schnee dabei zu, wie er den Garten unter sich vergräbt.
Auch wie jedes Jahr erzählt die Fee von den Toren zu ihrer Heimat, die sich im Winter am besten finden lassen.
“Möchtest du zurück?”, fragt Luisa leise, mit dem Blick eine Flocke verfolgend, die sich auf dem Geländer niederlässt und dort langsam schmilzt.
In der Tasse plätschert es erneut. Einen Moment später taucht die Fee prustend aus dem heißen Wasser auf. “Du würdest ohne meinen Feenstaub untergehen. Die Orchideen, die du verkaufst? Sie würden verdorren.”
“Das war nicht die Frage.”
Die Fee greift nach einem der Kuchenkrümel, die Luisa vorsichtig auf einem über den Tassenrand gelegten Teelöffel drapiert hat.
“Ich weiß”, sagt sie mit vollem Mund.
Eine Mikrogeschichte hat weniger als 250 Wörter und wird von einem Wort inspiriert. Für diese Geschichte war das Wort Schnee.
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