
Sicherheitsaffin.
Das ist das Wort, mit dem mich meine Familie beschreiben würde.
Ich bin diejenige, die immer mindestens 15 Minuten Zeitpuffer einplant – und am Ende eine halbe Stunde eher da ist. Auf die Frage “Was soll schon schief gehen?” kennt mein Gehirn dreitausend Antworten und legt mir diese detailliert in den schönsten Farben dar – in Dauerschleife schon Wochen bevor es überhaupt relevant ist. Meine Mutter scherzt oft, dass ich eine Steißgeburt war, weil ich erstmal mit dem Hintern testen wollte, ob mir die Welt hier draußen gefällt.
Ich wäre gern mutiger. Ich würde mir gern einfach Dinge trauen.
Mut erschien mir wie etwas, das man geschenkt bekommt und ich hatte einfach nicht so viel davon. Jahrelang habe ich unter Pseudonymen auf Englisch im Internet FanFictions veröffentlicht und niemandem etwas davon erzählt. Meine Leserschaft war so anonym wie ich. Mit dem Marketing meiner zwei Anthologien Nebelfäden und Regenlichter tue ich mich schwer. Ich meine, erst Mitte 2017 habe ich einen Blogpost darüber geschrieben, warum ich nicht auf Social Media zu finden bin. Oftmals, wenn mich jemand auf meine Geschichten anspricht, mutiere ich zu einem sozial inkompetenten Pinguin. Ungefähr so:

Zur Erklärung: Ich bin beide davon, zur gleichen Zeit. Und eigentlich bin ich auch noch die 50 anderen Pinguine, von denen einer sich am Schnabel kratzt, zwei immer bereit für Prügel sind und der Rest sich lautstark über unterschiedliche Dinge unterhält. Irgendwo singt auch einer seit mindestens einer Woche “Que Sera Sera”.
Aber egal. Ich wollte mutig werden. Also dann mal los.
#machen
2018 sollte das Jahr werden, in dem ich weniger nachdenke und mehr tue. In dem ich all die grässlichen Worst-Case-Szenarien meines Gehirns mit einem frechen “Na und?” beantworte.
Ich setzte mir für das Jahr also ein Jahresmotto in Form eines Wortes. Eines Hashtags. Eines Flüsterns mitten in der Nacht. Und dieses Wort lautete MACHEN.
Nun ist es Dezember und die Frage drängt sich auf: Was habe ich denn eigentlich damit erreicht? Hat es sich gelohnt?
Das große Ding: Die Leipziger Buchmesse
Eigentlich wollte ich gar nicht hin. Oder vielleicht doch, aber nur an einem Tag und nur mal gucken oder so. Aber dann schickte mir eine Freundin Werbung für die Leipziger Autorenrunde – ein Event für Autoren, Lektoren, Buchhändler und alles, was dazu gehört. Der ganze Samstag war mit Tischrunden gefüllt und ich … kaufte schließlich auch ein Ticket. Schließlich wollte ich was #machen.
Meine Freundin stellte mir dann noch eine Aufgabe: Ich sollte an dem Tag mit mindestens drei anderen Anwesenden reden. Das mag im Nachhinein lächerlich klingen, aber es war für mich wirklich nicht so leicht.
Doch ich hatte Glück. Ich folgte zu der Zeit dem Buchblogger @literarischernerd auf Instagram – der im echten Leben Florian Valerius heißt – und der hatte natürlich auch eine Tischrunde an dem Tag. Also setzte ich mich zu ihm – in dem Glauben, dass dort genügend Leute sitzen würden und ich mich abducken konnte. Aber nichts da: Durch das Schneechaos waren nämlich viele Besucher noch gar nicht da und so saß ich für die erste Runde nur mit Florian und Ruth Frobeen an einem Tisch. Und, oh Wunder, ich stellte fest: Auch Instagram-Persönlichkeiten sind normale Menschen, mit normalen Ängsten. Zum Beispiel, dass niemand an ihren Tischrunden teilnimmt.
Das Eis war gebrochen. Ruth schenkte mir ein Taschenbuch ihres ersten Romans und ich lud sie spontan ein, auf meiner Couch zu übernachten, falls ihr Zug nicht fährt. Weil Spontanität meine Stärke ist. Mhm.
Am Sonntag wollte ich eigentlich gar nicht noch einmal zur Messe, aber Autorin Jacky Vellguth hatte zu einer inoffiziellen Kaffeerunde geladen. Und weil ich mir ja #machen auf die Fahne geschrieben hatte, fuhr ich hin. Jacky hat mich mit ihrem 12in12-Projekt 2016 so beeindruckt, dass ich sie einfach gerne mal live treffen wollte. Ich glaube, ich wollte ihr sogar Fragen stellen. Es ergab sich eine ähnliche Situation wie mit dem literarischen Nerd: Der Schnee hatte nicht nachgelassen und so saß ich mit Jacky und einer Buchbloggerin allein da. Womöglich habe ich auch ein oder zwei Fragen gestellt. Eventuell habe ich mich blamiert.
Alles in allem ist die LBM für mich das Symbol meines #machen-Projekts. Ich war an drei der vier Tagen auf der Messe, habe einige Gesprächsrunden angeschaut und so ein paar Kontakte knüpfen können.
Und mit “Kontakte knüpfen” meine ich “Leuten auf Instagram folgen”. Du kannst den Pinguin eben nicht aus dem Pinguin nehmen – oder so.

Regenlichter und Leserunden
Schon 2017 schlug eine Bekannte mir vor, ich solle doch eine Leserunde auf Lovelybooks machen. Doch zu groß war die Angst, dass niemand mitmachen würde und deshalb blieb die Idee erstmal auf der langen Bank.
Aber damit war 2018 dann Schluss. Ich besorgte ein paar Eigenexemplare von Nebelfäden und machte eine Leserunde – mit überraschend positiven Reaktionen.
Damit stand für die zweite Anthologie fest: Es würde eine Leserunde geben.
Regenlichter selbst stellte mich gleich vor so viele Hindernisse, wie ich sie mir nie erträumen konnte. Zum einen wollte ich mir für dieses Buch einen Distributor holen: Books on Demand. Doch da ist natürlich alles anders als bei Amazon KDP. Es gab Probleme beim Cover, sodass ich die Dateien nach der Veröffentlichung noch einmal hochladen musste – nur um gleich zwei Tage später festzustellen, dass im Klappentext ein Tippfehler war. Also alles noch einmal von vorn.
Und ja, natürlich gingen die Bücher für die Leserunde allesamt mit dem Tippfehler raus. Aber keine Sorge, das ist nicht alles. Denn auf dem Postweg zu den Teilnehmern ging ein Buch verloren, sodass ich erstmal Leserin (und mich selbst) beruhigen und ein neues Buch versenden musste.
Zu guter letzt war das auch noch das Buch, bei dem ich zum ersten Mal eine schlechte Rezension bekam. Dazu gibt es im nächsten Jahr einen gesonderten Blogpost.
Mein #machen-Motto hat mich bei all dem über viele dieser Hindernisse geschleift. Ich konzentrierte mich auf meine Reaktion anstatt auf das Problem. Am Ende war ich froh, dass mir all das mit diesem Buch passiert ist.
Jetzt, wenn mir noch kaum jemand zusieht.

PAN e.V.
Anfang des Jahres habe ich mich beim Phantastik Autoren Netzwerk e.V. angemeldet. Als Nachwuchsautor durfte ich von einem Mentorenprogramm Gebrauch machen. Mit dem Dramaturgen Frank Raki diskutierte ich mich stundenlang über mein Projekt und erarbeitete eine neue Outline. Eine, die viel besser funktionierte. Und zum ersten Mal merkte ich, wie viel eine zweite, unbedarfte Meinung meiner Geschichte helfen konnte. Bislang war ich schriftstellerisch ja eher als Einzelkämpferin unterwegs.
Ich bin unheimlich dankbar, dass Frank sich die Zeit genommen hat. Was ich bei ihm gelernt habe, hat mir bereits beim nächsten Projekt geholfen.
Außerdem habe ich Bücher für die PAN e.V. Schatzbuch-Verlosung zur Verfügung gestellt und hoffe, dass es jetzt ein paar mehr Besitzer meiner Anthologien gibt.
Dies und Das und Alles Andere
Es gibt so viele kleine Dinge, die ich nicht getan hätte, wenn dieses #machen-Motto nicht über meinem Kopf geschwebt hätte.
- Ich wäre nicht allein zur Lesung von Bianca Iosivoni gegangen.
- Und erst recht nicht zu einer Signierstunde von Laura Kneidl.
- Ich hätte Anna von Fuchsias Weltenecho nicht gefragt, ob sie mir für einen zukünftigen Blogpost ein paar Fragen beantwortet. Ich freue mich schon sehr darauf, das mit euch teilen zu dürfen.
- Ich hätte Marie Döling und ihre Kurzprosa nicht kennen gelernt, oder Nicole von puppetsleseblog, mit der ich Anfang Dezember eine Verlosung machen durfte.
Außerdem habe ich dieses Jahr endlich mal meinen Vorsatz umgesetzt und an zwei Projekte gespendet, die mir sehr am Herzen liegen.
National Novel Writing Month – Ich liebe den NaNo so sehr, dass ich dieses Jahr zwei Blogposts dazu verfasst habe. Das Office of Letters organisiert nicht nur dieses Event, sondern auch die Camps. Sie unterstützen Lehrer, damit diese Kindern und Jugendlichen das Schreiben näher bringen können. Ich habe so viel durch die Community gewonnen, dass ich dieses Jahr endlich etwas zurückgeben wollte.
Archive of our Own – Das Thema FanFiction wird oft belächelt. Ich habe eine Theorie dazu, die ich hier nicht äußern werde, weil es einfach den Rahmen sprengt. AO3 bedeutet für viele vor allem junge AutorInnen einen sicheren Ort, an dem sie sich austoben können. Ich bin ein großer Verfechter von FanFiction aus verschiedensten Gründen (ebenfalls ein eigener Blogpost, vielleicht) und finde es toll, dass die Seite sich nicht verkauft. Die Spenden sorgen dafür, dass die Server laufen und dass es so für viele Leser weiterhin Hunderttausende Geschichten aus Welten gibt, die sie ohnehin schon lieben.
Auf ein Neues
Okay, ein Jahr #machen, und alles ist gut? Na ja, nicht ganz.
Für mich hat das Jahresmotto einiges in Bewegung gesetzt. Ich bin stolz auf das, was ich erreicht habe. Ich freue mich über die Menschen, die ich kennen gelernt habe und noch kennen lerne. Ich freue mich über Feedback, auch wenn es nicht positiv ist.
Allerdings bin ich noch immer ein sozial inkompetenter Pinguin und habe noch immer Schwierigkeiten, mich selbst als Autorin zu bezeichnen. Okay, das mit dem Pinguin ist vielleicht auch nur eines dieser Worst-Case-Szenarien, die mein Hirn mir gern vorspielt. In Wahrheit bin ich vielleicht ein elfengleiches Geschöpf, das galant jede soziale Situation meistert. In etwa so:

Genug gelacht. 2019 wird es ein neues Wort geben, das mich lenken soll – aber ich habe noch nicht entschieden, was das wird.
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