
Lara hat einen Job. Endlich, nach so vielen Bewerbungen. Hochmotiviert will sie den am liebsten gleich antreten und reist einen Tag eher an als vorgesehen. Doch auf der Farm scheint niemand sie zu erwarten. Und überhaupt ist dort nicht alles so, wie es scheint…
Lesesdauer: ca. 20 Minuten
Das Wärterhaus neben dem Tor war leer. Lara kramte die Zugangskarte aus dem Umschlag und zog sie durch den angebrachten Scanner.
Nichts rührte sich.
Sie zog die Karte erneut durch und bemerkte dann, dass am Scanner selbst kein Lämpchen brannte. Außer Betrieb.
Vorsichtig drückte sie gegen die kleine Tür, die in das Tor eingelassen war. Entgegen Laras Erwartungen ließ sie sich ohne Probleme geräuschlos aufschieben.
Unglaublich. In so einem großen Unternehmen, kein Wärter und eine offene Eingangstür. Gut, sie war erst für morgen angekündigt, aber es konnte doch jederzeit ein Gast kommen und niemand war da, um ihn zu empfangen.
Vielleicht waren ja alle panisch damit beschäftigt, eben diese Zugangsbeschränkungen zu reparieren.
Mit der Tasche in der einen und dem Umschlag in der anderen Hand marschierte Lara auf Gebäude zu, das ihr auf dem Lageplan markiert worden war. Es war auch das einzige, das so aussah als könnte es Büros beherbergen. Ansonsten befanden sich auf dem riesigen Gelände drei große Lagerhäuser.
Die Tür zu dem Haupthaus war nur angelehnt und Lara trat in den dunklen, kühlen Flur. Auch hier war alles still. Eine Küche ging nach rechts ab. Der Anweisung im Umschlag nach lag ihr Zimmer mit der Nummer 102 im Obergeschoss, also stieg sie die steile Treppe hinauf.
So hatte sie sich das alles nicht vorgestellt. Sie hatte ihre feinsten Sachen angezogen. Auch wenn ein geübtes Auge sicherlich sofort erkennen würde, dass die Jacke zu groß war und die Bluse am Kragen einen Fleck hatte, der nicht mehr herauszuwaschen ging. Ihre Mutter hatte sogar — in ihrer üblichen Übereifrigkeit — das Logo der Spider Silk Farms in die Jacke gestickt. Das zeigte Führungsqualitäten und Unternehmensverbundenheit, hatte sie gesagt. Beides Qualitäten, nach denen Firmen heutzutage suchten.
Sie fand ihr Zimmer sofort. Eine Nummerierung war eigentlich zwecklos, denn vom Gang gingen nur drei Zimmer ab. Der Masse an Bewerbern bei dem Vorstellungsgespräch nach zu urteilen, hatte Lara mehr Zimmer erwartet. Und im allgemeinen mehr Menschen.
Das Zimmer war klein, mit einem winzigen Fenster. Das Bett stand an der rechten Wand. Darauf lag ein Rucksack, dessen Inhalt großzügig im Raum verteilt war. Hosen, T-Shirts, Boxershorts. Wie blöd musste man eigentlich sein, bei den wenigen Optionen das falsche Zimmer zu belegen?
In dem vergilbten Spiegel über dem Waschbecken prüfte sie noch einmal ihr Erscheinungsbild. Sie hatte ihre braunen Haare nach hinten gesteckt und trug die Perlenohrringe ihrer Großmutter. Als Glücksbringer. Kein Make-Up. Schwarze Stoffhosen und flache, aber hübsche, Schuhe — schließlich wusste sie noch nicht, welche Arbeit sie genau hier erwartete. Sie hatte gehört, dass die Arbeit auf den Seidenfarmen eher fließend verteilt wurde. Was anfiel, wurde von allen erledigt.
Sie ging zurück nach unten und stellte ihre Tasche in der Küche ab. Die Sache mit dem Zimmer könnte sie auch noch heute abend klären, wenn sie erstmal die anderen gefunden hatte. Es gab offensichtlich viel zu tun, wenn sie bis jetzt noch niemanden angetroffen hatte.
Die Unterlagen, die das Unternehmen Lara mit der Jobzusage zugesandt hatte, schickten sie zunächst in eine der Lagerhallen …

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kommt der Kumpel wieder raus aus dem Cocon und verliebt sich in Lara? befreit sie ihn? oder kommt noch ein fixerer Futterjunge?
Schwierig. Ich fürchte, Lara hat gerade andere Probleme als irgendwelche Futterjungen zu retten 😉
Hallo Carolina,
was für eine Geschichte. Ich bin richtig froh, sie nicht vorm schlafen gehen gelesen zu haben. 😀
Super, wie du es geschafft hast, die Leser in deinen Bann zu ziehen. Wie würde ich handeln? Keine Ahnung, zum Glück war ich noch nie in solch einer Situation! Aber wahrscheinlich genau wie deine Protagonistin. Wer will schon nicht seine eigene Haut retten? Vielleicht würde ich später überlegen, auszubüchsen oder die Gruselgeschichte irgendwie anders zu beenden, so dass ich meiner Wege gehen könnte. Aber ob so etwas gelingt?
Ich bin gespannt auf den nächsten Blogeintrag!
Ich bin auch ganz froh, dass ich die Geschichte nicht vorm Schlafen gehen geschrieben habe 😉 Schön, dass sie dir trotzdem gefallen hat!